Donnerstag, 20. Juni 2019

Österreich im Trubel: Wozu sind Gerüchte da?

a) um sie zu ignorieren
b) um sie zu lancieren
c) um sie unkritisch zu glauben
d) um sie, nach Abwägen, ernst zu nehmen

Wie halten wir es mit Gerüchten? Wie steht es um jene, welche sich um unsere eigene Person ranken? Haben diese nicht auch ab und zu einen Kern, der jedenfalls nicht ganz unwahr ist? Versuchen wir, wenn stichhaltig, Gerüchten mit Vorbehalt nachzugehen. Mitunter lohnt es sich, um so einen Wissensvorsprung zu haben.

Im Zusammenhang mit Politik lebt nicht zuletzt die Medienwelt davon, Gerüchte zu verbreiten. Mal gibt man sich "kritisch hinterfragend", mal offen sensationslüstern. Bei der heutigen Lektüre der "Presse" kam mir ein Gerücht in Erinnerung, das rund um die "Ibiza-Affäre" und den Zerfall der ÖVP/FPÖ-Koalition an mich herangetragen worden ist. Der Pakt sei fix: Nach Neuwahlen wird es eine ÖVP/SPÖ-Regierung mit Kurz und Doskozil geben.

Schwarz und Rot: Fix zamm?
Die Variante an sich hielt ich für wahrscheinlich, dass "Dosko" aber selbst ganz konkret wenigstens einen Teil davon ankündigt (seine eigene Person ausklammernd, alles andere wäre offene Rebellion), ist aber erwähnenswert. Für die SPÖ komme demnach nur die ÖVP als Koalitionspartner infrage!

Allen Umfragen, die die SPÖ als schwach darstellen, und der Linie von Obfrau Pamela Rendi-Wagner zum Trotz, die schließlich Kurz das Misstrauen ausgesprochen hat, biedert sich "Dosko" etwas überraschend billig an die ÖVP an. Es könnte ein Zeichen dafür sein, dass das Gerücht nicht so ganz falsch ist und es jetzt nur noch darum geht, wie stark die künftigen Partner in der Wahl abschneiden, also, wie viele Ministerämter/welche wichtigen Ministerien welche Partei bekommen wird. Das zu erwartende miserable Abschneiden der SPÖ wäre wohl auch das Ende für Rendi-Wagner, ihrem Traum der ersten (gewählten, wie sie nun betonen muss) Bundeskanzlerin wird sie womöglich nicht einmal in Form der Vizekanzlerschaft nahekommen.

Stichwort Gerüchte: Retrospektiv darf man die Stirn in Falten legen, denkt man zurück, was der Generalsekretär des BZÖ Kärnten (ja, die "Bienenzüchter" [(c) Ewald Stadler] gibt es noch!) am 8. April (!) per Presseaussendung in den Raum stellte. Die ÖVP plane, so Karlheinz Klement, die Koalition nach der EU-Wahl zu sprengen, Neuwahlen im Herbst seien fix, die Flächen für Werbeplakate gar schon gebucht. Ein Spinner, ein ewiger Verschwörungstheoretiker, peinlich etc., so der einhellige Tenor in der Folge im Standard-Forum zum Bericht darüber, ein Tonfall, der im Bericht an sich auch bereits zu vernehmen war.

Das völlig unbedeutend gewordene,
manche meinen auch nutzlose,
BZÖ tat sich in Form einer
Aussendung als Orakel von Klagenfurt hervor.
Klement/das BZÖ verkündete also 1,5 Monate vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, welches letztlich als Anlass für den Bruch der Regierung zu gelten hat, dass wir im Herbst an die Urnen gerufen werden würden, so wie es tatsächlich der Fall war. Alles Hirngespinste und Zufall? Oder wer wusste bereits, was kommen wird? Ein laut ÖVP gefälschter Mail-Verkehr legt nahe, dass Kurz und sein engestes Umfeld jedenfalls bereits seit 2018 von diesem Video wussten.

Spannend auch, wie schnell die ÖVP tatsächlich eine Plakatwelle ins Rollen brachte. "Genug ist genug", den Zettel mit diesem Satz könnte Sebastian Kurz schon länger im eng sitzenden Sakko mit sich getragen haben.

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