Sonntag, 18. Juni 2017

Patient: die Demokratie

Patient: die Demokratie 

Befund: Pat. non vult! Bisherigen Therapievorschlägen gegenüber zeigte sich der Pat. ablehnend. Anamnestisch subjektiv gesunder Eindruck des Pat., dieser zeigt keine Einsicht in sein Krankheitsgeschehen. Vorgelegte Laborbefunde werden als Fake News abgetan. 

Diagnosen: Marasmus senilis, Pseudologia Phantastica



1992: Die Demokratie habe gesiegt, wurde gesagt,
und wir haben es gerne geglaubt.
Bildquelle: politik-global.com
Die Demokratie - von den Griechen erfunden, wie uns fälschlicherweise in der Schule beigebracht wird - gilt als Sieg des Volkes (oder galt, denn vom Volk will man heute nicht mehr sprechen) über Monarchien und Diktaturen und verbreitete sich in diversen Formen im Laufe des 20. Jahrhunderts in Gesamteuropa. 

"Das Ende der Geschichte" sei erreicht, jubelte Francis Fukuyama in seinem gleichlautenden aufsehenerregenden oder zumindest vielpropagiertem Buch. Die Demokratie sei letztlich der Sieger im Ringen der politischen Systeme und der Endzustand, den wir uns wohl so vorstellen dürfen wie eine chemische Reaktion, die zum Stillstand kommt, wenn das Gleichgewicht hergestellt ist. Gemeint war hier vor allem der Gegensatz des liberal-marktwirtschaftlichen Westens zum kommunistischen Osten. Der Freiheit schien eine breite Gasse geschlagen geworden, auf der wir nun gemeinsam und in Frieden marschierten sollten. 

1996: Hatte Huntington recht?
Steht uns der große "Clash" noch bevor?

Bildquelle: eu.eot.su
"Der Kampf der Kulturen" sei jedoch noch nicht ausgefochten und werde die nahe Zukunft prägen, zeigte sich Samuel P. Huntington in seinem vieldiskutierten, oft geschmähten, aber - auch heute noch - ungemein lesenswerten Buch als Spielverderber inmitten der Euphorie. Als uns in einer Lehrveranstaltung die Aufgabe gestellt wurde, den Kollegen jenes historisch-politisches Buch vorzustellen, welches uns besonders nachdenklich gestimmt habe, brachte ich den "Kampf der Kulturen" mit. Der junge Assistenzprofessor fand es zwar mutig, dass ich mich hinter Huntingtons Thesen stellte, nannte diese aber übertrieben und schwarzmalerisch. Die Welt würde erkennen, wie positiv die Demokratie sei. Als wir viele Jahre später über den "Arabischen Frühling", der gerade angebrochen war, miteinander sprachen, zeigte er sich in vielerlei Hinsicht mit mir in Übereinstimmung: Nicht alle werden unserem europäischen Weg folgen wollen, und die Demokratiebewegungen in den moslemischen Ländern würden bald scheitern. Das alles, während uns die Medien wie allen voran der ORF noch weismachen wollten, dass wir gerade erleben, wie Regime quasi via "Facebook" und anderen Social Medias ausgehebelt werden. Jahre später sind wir alle gescheiter und die Demokratisierung der islamischen Welt darf als gescheitert betrachtet werden.

⇨ Deine Meinung dazu ist gefragt! 
Bis Mitternacht des 30. 06. 2017 läuft auf der Startseite die Umfrage!
Es war übrigens der 30. 06. 1963, als Paul VI. als letzter Papst traditionell mit der Tiara gekrönt worden ist ... aber das ist eine andere Geschichte.


Aktuelle Umfrage unter Österreichern und Vergleich
der Sichtweise mit den letzten Jahren. Ein Trend ist unverkennbar.

Bildquelle: krone.at
Inzwischen ist aber auch Good old Europe demokratiemüde geworden. 

Nicht nur jene Zuwanderer aus moslemischen Ländern, die unser System ablehnen, werden uns zunehmend unter Druck setzen, genauso scheinen die Menschen Europas selbst der Demokratie überdrüssig geworden zu sein. Eine SORA-Umfrage unter 1.000 Österreichern ergab im Frühling 2017, dass die Demokratie nicht mehr so begeistert wie noch 10 Jahre zuvor. Der Zuspruch zu einem autoritären Kurs wuchs, nur 45 % lehnten einen "starken Führer" komplett ab, 23 % sprachen sich für einen Systemwechsel zu einem Führer aus. Derartige Umfragen mit ähnlichen Ergebnissen gibt es mehrere, die Ursachenforschung führt häufig zu einer Unzufriedenheit mit den existierenden Parteien sowie einem Gefühl der Ohnmacht im System. Sollten sich die Menschen in einer Demokratie nicht besonders wahrgenommen fühlen?

Wie erleben Menschen vielfach die Politik? Gebrochene Wahlversprechen, das Gefühl, dass Fremde gegenüber den Einheimischen bevorzugt werden, hohe Abgabenlast, Politik als Show, die großen Medien als Unterstützer der etablierten Parteien anstatt als 4. Gewalt verursachen eine Abneigung, die vielfach Frustration aus den Menschen heraushören lässt und die sich in einem schwindenden Interesse an Wahlen teilzunehmen zeigt.
Die Politiker haben ihren Lohn bereits erhalten!

So auch heute in Frankreich: Weniger als 44 % fanden es der Mühe wert, ihre Stimme für die Wahl zur Nationalversammlung abzugeben. Dabei gibt es dort den angeblich so großen Politstar, Emmanuel Macron, der die Massen an sich ziehen würde, las man nun seit Wochen. Macron, dem sich alle anbiedern, der manchem wie Sebastian Kurz als Vorbild (wofür eigentlich?) dient. Seit seinem Wahlsieg gegen Le Pen lasen wir täglich, wer sich aller im Macron-Lager sieht: von Kurz über Schulz bis Obama war alles dabei. Eine bloße Blase? Wie der Schulz-Zug bereits bei den ersten Landtagswahlen zum Stillstand kam, so entweicht der Macron-Blase nach dessen erster Wahl als Bewegung des Präsidenten nun auch bereits die Luft. Darüber kann das Mehrheitswahlrecht nicht hinwegtäuschen, sofern man sich nicht täuschen lassen möchte oder Teil der Täuschung ist. Ein Blick in die Berichterstattung der Medien sorgt bereits wieder für Kopfschütteln.

Die Medien selbst tragen ihr Scherflein zur Politikverdrossenheit bei. Die etablierten jammern über Fake News alternativer Schreiber, doch wie selektiv, verdrehend und emotional bis hin zu hetzerisch die (noch) etablierten Zeitungen, Zeitschriften und Sender agieren - nicht zuletzt mit dem, was man NICHT verkündet - wird sehr wohl wahrgenommen, bewertet und einer Reaktion zugeführt. 

Zwei aktuelle Beispiele - ganz kurz - wie Medien versuchen, unsere Sicht der Dinge zu steuern:

  1. USA: Attentat auf Steve Scalise, die Nummer 3 der Republikaner. Nachdem seit der Wahl Trumps von linker Seite viel Hass gesäht worden ist (inkl. öffentlich inszenierter Theater-Hinrichtungen Trumps bei gratis Eintritt), hat man nun einen hochrangigen Republikaner angeschossen. Unsere Medien berichteten, es war aber kein großes Thema, vor allem nicht der mögliche Hintergrund. Man stelle sich vor, nach der Wahl Obamas hätte es einen Demokraten erwischt. Wie viele Dokus über Rechtsextreme in den Südstaaten hätten wir wohl sehen dürfen? 
  2. Frankreich: Eine konservative Gegenkandidatin zum Macron-Lager, Nathalie Kosciusko-Morizet, wurde von einem Mann offenbar bewusstlos geschlagen. Hintergrund: unbekannt. Es herrscht auch kein Interesse daran, diesen journalistisch aufzuarbeiten. Die französische Presse sprach zuerst gar bloß von einem Schwächeanfall. Unsere Medien? Tja, hast du davon irgendwo gelesen? 


Vive la France! Vive la Democratie! (lang ist es her ...)





"Casablanca", einer meiner Lieblingsfilme, wartet eine ganze Reihe zitierbarer Szenen auf. Ich möchte mich von dir heute mit diesem Zitat verabschieden:

"Gut, dass Sie wieder in unseren Reihen sind. Ich weiß, dass wir dieses Mal gewinnen werden!"




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