Montag, 19. August 2019

Geschichten aus dem Alten Testament: Über den Gehörnten

Quizfrage: Wenn du die Bezeichnung "der Gehörnte" hörst, an wen denkst du?

Denk nach. Die Antwort lautet ...

... selbstverständlich Gott!

Klingt komisch? Stimmt! So selbstverständlich ist es eben nicht.

Für uns Christen scheint es klar, wenn einer Hörner hat, ist der Pferdefuß nicht weit und der Leibhaftige muss vor einem stehen. Doch ein Blick ins Alte Testament bringt Staunen hervor: Mit Hörnern wird hier immer wieder der Gott der Juden dargestellt.

Ein heikles Thema, wie mir bereits in atheistischen Zeiten bewusst wurde. Als ich wieder einmal ungläubig (sic!) Texte der Bibel, in diesem Fall des Alten Testaments studierte, stieß ich im Buch Numeri (4. Buch Mose) auf folgende Zeilen:






Das Buch Numeri handelt grob gesagt vom Zug des israelitischen Volkes vom Sinai bis nach Kanaan (kanaanitische Landnahme). Zu Beginn des Buches wird gezählt, was letztlich den Namen des Buches in der lateinischen Vulgata ("Numeri") erklärt. Gezählt werden 603.550 wehrfähige Männer (Alter ab 20 Jahren, keine Leviten). Nach Anordnungen, auch der Anordnung diverser kultischer Gesetze, macht sich der Zug auf den Weg, wird unterwegs von Gott gestraft oder wenigstens abgemildert bestraft, sodass keiner aus dem Zug das Gelobte Land erreichen sollte, sondern erst die nächste Generation: die uns bekannten 40 Jahre in der Wüste. 

Doch auch die Wartezeit war voller Gewalt, Gnade stand nicht im Vordergrund: strenge Gesetze etwa zum Opfern, bei Vergehen reichten die Strafen bis zum Todesurteil, welches auch vollzogen wurde. So soll Gott Mose befohlen haben, einen Mann zu steinigen, der gegen die Sabbatruhe verstoßen hat. Was sagte uns Jesus als Sohn Gottes dazu? Wen rief er jemals dazu auf, einen Stein zu werfen? Keinen, im Gegenteil.

Jesus also als Sohn jenes Gottes, der nicht nur Gewalt gut heißt, sondern auch Hörner wie ein Wildstier hat? Das machte mich stutzig. Ich fragte also einen Priester, wie das zu verstehen sei – ein Gott mit Hörnern. Der Priester antwortete nicht darauf, ich möge mich per E-Mail an einen Theologen eines katholischen Instituts – "eine Experte!" – wenden.

Nach wenigen Tagen erhielt ich die Antwort. In diese Richtung dürfe man nicht einmal denken. Äh ja, in welche Richtung? "Hier landet man sehr schnell beim Antisemitismus!". Achso. Die Antwort war also, ich soll nicht darüber nachdenken. Glaub, was da steht, wir reden nicht einmal darüber. Meine damals ohnehin ablehnende Haltung als Nichtchrist gegenüber der katholischen Kirche wurde dadurch nicht eben gemindert.

Er hat also Hörner wie ein Wildstier, frisst die verfeindeten Völker, zermalmt ihre Knochen. Die Stelle im Screenshot ist bei Weitem nicht die einzige Stelle, die auf einen Stierkult im AT hinweist. Dies sehen wir ebenso in den Büchern Lev, Kö, Ex oder auch Deut. 

Solche Stellen geben mir zu denken. Dir auch? Ist das Alte Testament wirklich so etwas wie die Vorgeschichte des Christentums, noch dazu ein Fundament, auf das nicht verzichtet werden dürfe? 

Ich zweifle daran, auch wenn ich in dieser Minute, eher zufällig, von Dr. Johannes Hartl auf YouTube höre, die Bibel sei eine Einheit, weil die frühen Christen die Bücher stets gemeinsam gelesen hätten. Das klingt mir ein wenig nach Zirkelschluss. Dass die frühen Christen, dem Judentum entsprungen, ihre ihnen bekannten Texte beibehielten, kann auch ein Missverständnis gewesen sein. Ich selbst glaube immer wieder, Jesus nahm daraus jene Dinge, die nötig waren, damit eine Basis vorhanden ist für die wahre Lehre. Er kam nicht in ein historisch-kulturelles Nichts, er kam in eine judäo-griechische Gedankenwelt. Er widersprach dieser – oft genug –, wo es nötig war. Er ließ bestehen, was in Ordnung war. Es geht nicht darum, Unbequemes herauszuschneiden, wovor Hartl warnt. Es geht darum, zu benennen, was unlogisch ist. Der Vater, den Jesus uns gezeigt hat, ist im AT nicht so einfach wahrzunehmen.

Das Alte Testament scheint letztlich nicht nur einen Gott darzustellen. Nicht jeder davon wird Jesu und unser Vater sein – doch kann womöglich auch er in den Zeilen zu finden sein.

Leseempfehlung: https://dreifalt.blogspot.com/2019/01/die-ketzer-teil-2-markion-der-erzketzer.html

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