Montag, 30. März 2020

Die Corona-Krise: Fürchtest du dich?

Du fürchtest dich noch nicht genug!

Das ist mehr als ein Herr-der-Ringe-Zitat, denn Angst und Bange könnte es einem werden. Nicht (nur) wegen des Virus: Auch die Politik und eine hysterische Masse beunruhigen, die Empfindsamkeit, die Vorahnung hat sich wie ein Seismograf gemeldet.

Das Virus tötet laut Zeitungsberichten und Statistiken in einigen Ländern Europas in diesen Tagen in Massen, in anderen weniger, aber doch auch: Tendenz dort steigend. Die Zahlen erschrecken. Besonders jene der Closed Cases, also die Zahl der Fälle jener, die genesen oder gestorben sind. Unvorstellbare 19 % davon sind weltweit Todesmeldungen! Wie hoch die Dunkelziffer der Infizierten ist, wissen wir nicht, testet man doch derart sparsam, dass selbst eindeutig Infizierte gar nicht in der Statistik auftauchen (etwa Familienangehörige positiv Getesteter im selben Haushalt).

Die Meldungen zum Virus, zu seiner Gefahr, seiner Bekämpfung und die getroffenen Maßnahmen wirken teilweise amateurhaft, sind widersprüchlich und doch vor allem auch eines: so beängstigend wie die Sorge um die Gesundheit.

Es werde keine Ausgangsbeschränkungen geben, sagte Bundeskanzler Kurz wenige Tage, ehe diese in Kraft getreten sind. Masken seien unnötig, nun wird man ohne aber keinen Supermarkt mehr betreten dürfen. Bürgerrechte werden (temporär?) außer Kraft gesetzt, die Bewegungen der Bürger werden getrackt. Der hochgepriesene Datenschutz ist ein Relikt der Vergangenheit, es zählt nun die Überwachung. 

Wie reagieren die Bürger? Sie jubeln und forderten und fordern stets weitere Maßnahmen. Mehr Einschränkungen, weniger Freiheit, mehr Zugriff der Polizei auf (an sich) unbescholtene Bürger. Zudem moralische Appelle an jene, die nicht mitziehen. Vor einigen Jahrzehnten hätte man für diese ein Wort parat gehabt, das vielleicht gar wieder in Mode kommen wird: Volksschädlinge.

Der Volksschädling wagt es, an die frische Luft zu gehen. Stärkung des Immunsystems? Unnötig, bitte sperr dich zu Hause ein! Auf Facebook etc. werden diese Schädlinge (ihr findet doch sicher das passende Mittel gegen diese!) beschimpft als Idioten, unverantwortliche Egoisten. Der Begriff aus alten Zeiten würde von manchen ganz sicher gern ins Vokabular aufgenommen werden.

"Niemand hat vor, eine Mauer zu errichten!"

Diesen Satz höre ich. Ich höre ihn mitschwingen – in den Pressekonferenzen unserer amateurhaften Regierung, die doch zu allem bereit zu sein scheint. Stein für Stein errichten sie eine Mauer. Die Bürger klatschen, helfen, fordern, dass die Mauer schneller und vor allem höher gebaut wird. Dazu gehören auch die altbekannten Mauerschützen ...

Bloß die Angst eines freiheitsliebenden Menschen? Eine Dystopie, die sich bloß im Kopf abspielt? Oder doch eher der Beginn (oder bereits mehr) einer Gesellschaft, eines Systems, in dem vorgebliche Sicherheit weit über der Freiheit angesiedelt wird? 


Vielleicht war "Sei wachsam" von Reinhard Mey niemals so aktuell wie heute. Niemals mehr seit 1945. Wir müssen wachsam sein.


Und ich denk' mir, jeder Schritt zu dem verheiß'nen Glück
Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück.
Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,
Sie nennen es das Volk, aber sie meinen Untertanen.
Sei wachsam

Präg' dir die Worte ein!
Sei wachsam
Und fall nicht auf sie rein!
Paß auf, dass du deine Freiheit nutzt
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam
Merk dir die Gesichter gut!
Sei wachsam
Bewahr dir deinen Mut
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!




Vorbereitet sein! Lektüre von Carl Schmitt
plus Vitamin C
schützt das (politische) Immunsystem.
Sebastian Kurz kündigte bereits an, dass die Maßnahmen andauern. In Wirklichkeit ist mit dieser Strategie auch kein Ende in Sicht. Das Virus wird nicht ausgerottet werden, eine Impfung ist nicht in Sicht, Medikamente sind derzeit bloß im Stadium des Experimentierens. So ist die Gefahr tatsächlich gegeben, dass sich die Menschen an diesen Ausnahmezustand gewöhnen; dass der Ausnahmezustand ein Stück Normalität wird – ist doch allen an Sicherheit und Gesundheit gelegen. 

Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet, schrieb Carl Schmitt 1922. Ein Satz, den ich mit 16 Jahren zum ersten Mal las. Und der seither ein Relikt des Staatsrechts war, ein Satz der Vergangenheit. Ein Satz, der in der Zeit seiner Niederschrift tagespolitische Bedeutung hatte. Nun zeigt sich, wer der Souverän ist. Wir erleben es live. Wir hätten gerne darauf verzichtet. 

Das ist kein Aufruf, auf Achtsamkeit zu verzichten. Kein Aufruf, vorschnell völlige Normalität im eigenen Leben anzustreben. Es ist ein Aufruf, immun zu sein gegen das, was als Kollateralschaden droht: ein Aushebeln der Bürgerrechte auf Dauer, ein Ende der Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, wie wir sie kannten. Hier wachsam zu sein ist Teil der Krisenbewältigung; eine Krise, die nicht nur die Gesundheit und Wirtschaft betrifft.

Bleib gesund, geh an die frische Luft!


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