Mittwoch, 27. Februar 2019

Vom Alten zum Neuen – und wieder zurück! Alter Ritus und neue Moden (nicht nur für Verliebte)

Papst Franziskus äußerte sich zu Jahresbeginn dahingehend, dass das Christentum revolutionär sei. Nein, er hat sich wohl nicht in die Reihe der Dreifalt-Leser begeben und dies wohl anders gemeint als es im Blog dargelegt wurde. 

Revolution als Bruch? Revolution als Unterbrechung
einer stetigen Entwicklung?
Revolution, was ist das? Im allgemeinen Verständnis ein Umsturz im großen, meist politischen Stil, gerne verbunden mit der Idee, die Unterdrückten hätten sich nun ein Stück weit befreit, ihre Lebensbedingungen verbessert. Auch die neolithische oder die industrielle Revolution zeugen davon, dass hiermit jeweils ein massiver Einschnitt in die Lebenswelt getätigt worden ist. 
Auch scheint es gewissermaßen wellenartig vonstatten zu gehen, die Phasen der Beruhigung, Etablierung dauernd eine Zeit lang an, ehe sich der Unmut freie Bahn bricht. Selbst in wirtschaftlicher Hinsicht – wenn schon das Stichwort der industriellen Revolution gefallen ist versuchte man, derartige Zyklen herauszuarbeiten. Der sowjetische Wirtschaftstheoretiker Nikolai Kondratjew (18921938) beschrieb die nach ihm benannten Zyklen in seiner Theorie der Langen Wellen. Innovation führe zu Investition, ebbt der zu erwartende Gewinn ab, kommt es zum Abschwung. In diesem Moment starte aber in der Regel eine neue Innovation, das Spiel beginnt vorn vorne. Der österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter prägte schließlich den Begriff der Kondratjew-Zyklen in seiner Arbeit zu den Begriffen der Innovation und des Innovators.

Ein anderes Bild im Zusammenhang
mit dem Begriff "Revolution".
Ist also Revolution ein Bruch, eventuell inmitten einer Fortentwicklung? Dies und doch mehr und etwas anderes als das, wenn man den Begriff von seiner historischen Verwendung her betrachtet, die Revolution ist demnach der Weg, die Bewegung, von einem Anfang hin zum Ende, welches aber genau jener Anfang ist. Im Lateinischen bedeutete revolutio das Zurückwälzen bzw. die Rückkehr. Dies ist schon ein ganz anderer Ansatz, als er uns heute für gewöhnlich in den Sinn kommt. Auch Kopernikus verwendete den Begriff nicht grundlos, um die Bewegung der Himmelskörper in ihren Bahnen zu beschreiben. Es ist stets ein Zurück, ein Zurück zum Ursprung (Und wer ist das Alpha und das Omega?).

Wenn hier vom revolutionären Christentum geredet wurde und wird, ist damit zweierlei gemeint: Es ist der Anspruch und die Haltung, nein zu sagen, nein zu einer Welt, die gottfern ist, nein zu allem, was den Lehren Jesu Christi widerspricht. Weniges drückt mehr Widerstandswille aus als ein für sich genommen so schlichtes Nein. Hollywood machte sich das in einer eindringlichen Szene in Planet der Affen: Prevolution zunutze und ließ Caesar als erstes Wort ein bedeutungsschwangeres NEIN! hervorgrollen. Ein Ja zu Christus bedeutet in der Folge, oft auch nein zu sagen. 

Dreifalt-Leser wissen es sowieso: Ex nihilo nihil fit!
Alles hat seinen Ursprung.
Ein Ja zu Christus bedeutet aber auch ein Ja zur Quelle. An einem Scheitelpunkt der Weltgeschichte trat Gott hervor, jene zu retten, die willens sind. Irgendwo im Nirgendwo. Dort, wo keiner aus dem Römischen Reich gerne hinging, eine Gegend, die nicht prädestiniert schien, dass irgendwann die Welt dort hin blicken würde. Dort hin, wo Christus wirkte. So wie Gott in den Schwachen mächtig ist, so passt der gewählte Ort genauso ins Bild. Warum nicht direkt nach Rom? Warum nicht als Sohn des Kaisers? Der Weg des Christentums war ein langer, beschwerlicher. Was hat ihm den Weg geebnet und dafür gesorgt, dass heute in so gut wie jedem Winkel der Erde das Evangelium bekannt ist und jeder Mensch die grundsätzliche Möglichkeit hat, Christ zu werden? Mir fällt nur ein Grund ein ... und das ist die zweite Seite des revolutionären Anspruchs: Es ist ein Zurück zum Vater, sich auf den Weg zu machen, die nötig ist. Wie die Planetenbewegungen sich von einem Punkt entfernen, kommen sie wieder zurück. Dieses Bild trifft das Wesen des Christentums und des Christen.

So grimmig schauen musst du nicht! Aber nein sagen,
dem Bösen widersagen, das schon!
Doch wollen wir auch auf den Titel des Beitrags zurückkommen! Als wenig eifriger Kirchgänger führten mich die Wege in diesem Jahr in 3 Messen, die jeweils bemerkenswert waren. Der Wille wäre öfter vorhanden gewesen, mein Aufenthalt in der Provinz erschwerte den Besuch einer Messe, ein Pfarrer ist nicht überall immer vor Ort in unserer Zeit. Aber so nahm ich allen Mut, meine Frau (an der Hand) und einen Freund noch dazu, und wir besuchten eine Messe im Alten Ritus. Unhöflicherweise verspäteten wir uns eher unverschuldet um wenige Minuten, der Priester begrüßte uns extra, wies uns beheizte Plätze zu, und wir fügten uns so gut es ging in den überwiegend lateinischen Ablauf ein. Überwiegend deshalb, weil die Lesung auf Deutsch erfolgte. Nachdem es sich offenbar um einen recht fixen Zirkel handelt, der sich dort versammelt, führte unsere Anwesenheit nach der Messe zu Fragen; wer wir seien etc. und zum Hinweis darauf, dass in einer anderen Kirche eine rein lateinische Messe gehalten würde. So dauerte es nicht lange, und meine Frau und ich besuchten auch diese. Dort erfolgte ausschließlich die Predigt, die exegetisch ausgesprochen mutig und konsequent war, auf Deutsch. Die gefühlte intensive Gläubigkeit der Anwesenden und die Atmosphäre an sich waren für uns jeweils berührend und mitreißend. Dass die Messe im Alten Ritus grundsätzlich Zulauf findet, kann nicht überraschen, wenn man sie miterlebt hat.

Man könnte meinen als Kontrastprogramm besuchten wir schließlich die "Messe (nicht nur) für Verliebte" im Klagenfurter Dom im Gefolge des Valentinstages. 20 Minuten vor Beginn betraten wir den Dom: Die Kirchenreihen waren gefüllt. Wir wurden gebeten, ganz nach vorne zu gehen, wodurch es sich schließlich ergeben hat, dass wir direkt neben dem Dompfarrer. der diese Messe zelebrierte, zu sitzen gekommen sind. Wer die augenblickliche Lage in Kärnten kennt, ahnt, dass der Dompfarrer ohne Frage zu den seriösen Anwärtern für das vakante Bischofsamt gehört. 
Ein im Kerzenschein anonym gefüllter Dom!
Der Gottesdienst wurde mit Liebesliedern überwiegend in englischer Sprache untermalt. Dazu gab es auch das eine oder andere Kärntner Lied. Als bekannt konservativer Christ beobachtete ich die Szenerie zugegeben mit Skepsis. Doch fügten sich die Lieder überwiegend gut ein, ich hatte niemals oder nur selten (das kaum noch zu ertragende, wirklich unchristliche "Halleluja" von Cohen ließ mich dann doch quasi um Verzeihung bittend in den Hochaltar blicken ... aber wenigstens verzichtete man auf die Strophen) das Gefühl, die Musik an sich wäre ein Grund, die Messe zu entheiligen. Angesichts der Tatsache, dass der Dom restlos gefüllt war, bis hinauf in den Chor, darf man den Verantwortlichen dazu gratulieren, so viele Menschen abseits von den großen Feiertagen in einen Gottesdienst zu bringen. Wenn es bloß daran liegen würde, die Musik ein wenig anzupassen, um die Menschen für die Kirche zu begeistern, wäre das eigentlich ein Klacks. Das sind "neue Moden", die man gelten lassen kann, wenigstens als Ergänzung. 

Jedenfalls gibt es in Klagenfurt mit Dompfarrer Peter Allmaier jemanden, der auf die Menschen offen zugeht, die Menschen heranführt, ihnen zeigt, wie schön es sein kann, (in der) Kirche zu sein. Alle Paare konnten sich im Anschluss segnen lassen, aufgrund unseres Platzes waren wir gleich an der Reihe. Am Anfang einer langen Reihe, für deren ausgiebige Segnung der Priester sich unheimlich viel Zeit genommen hat. Während wir uns bereits im Pfarrsaal bei Sekt und Knabbereien stärken durften, standen die Menschen Schlange, um den Segen als Paar zu empfangen. 

Eine schöne Sache, die man in Klagenfurt hier mittlerweile als Fixtermin etabliert hat. Wer eine nicht zu lange Anreise hat, der sollte sich diesen "Gottesdienst (nicht nur) für Verliebte" für das nächste Jahr vormerken!

Dir wünsche ich aber auf jeden Fall, dass du in Bewegung bleibst oder kommst  in die revolutionäre Bewegung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen